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IMMER NOCH Z6 - INTERVENTIONEN IM ÖFFENTLICHEN RAUM

Das Z6 war nicht nur als Jugendzentrum und Beratungsstelle ein wichtiger Ort in der Stadt, sondern trug stets seine Arbeit und Haltung in den Stadtraum hinaus und intervenierte sichtbar für die Interessen junger Menschen, auch gemeinsam mit ihnen im öffentlichen Raum. Genannt und in der Ausstellung aufgegriffen werden dabei Demonstrationen gegen Abschiebungen von jugendlichen Migrant*innen sowie gegen Rassismus und Faschismus, Kundgebungen gegen Sparpakete, erste Straßenfeste und diverse Kulturveranstaltungen im öffentlichen Raum.

Eine Ausstellung, von 7.11. bis 22.11. 2024, in Schaufenstern und Fassaden im Umkreis der Dreiheiligenstraße 9 sowie an Orten, an denen der Verein in seiner 50-jährigen Geschichte wirksam wurde.

Orte:

Zentrum für Jugendarbeit z6, Dreiheiligenstraße 9

Streetwork z6, Ing.-Etzel-Straße 42

Fluchtpunkt, Jahnstraße 17

Kult, Ing.-Etzel-Straße 38

Pmk, Viaduktbögen 18 – 21

Stadtbibliothek, Amraserstraße 2

chill out, Heiliggeiststraße 8a

DOWAS, Leopoldstraße 18

Ho&Ruck,, Hallerstraße 43

Stellwerk 2, Südbahnstraße

 

Stadtführungen zu den Ausstellungsorten mit erzählter und erlebter Geschichte finden am 7.11., 18 Uhr und am 22.11., 15 Uhr statt. Treffpunkt immer vor dem Z6, Dreiheiligenstraße 9, 6020 Innsbruck

Konzept und Durchführung: Maurice Kumar, Elfi Oblasser, Teresa Stillebacher

Wir nennen es was es ist: Rassismus

Das Jugendzentrum z6 entsteht ursprünglich als Gegenpol zum bürgerlichen Mittelschule- Jugendzentrum der MK (Marianische Kongregation) in der Sillgasse. Der Name z6 leitet sich von der Zollerstraße 6 ab, wo das erste Jugendzentrum beheimatet ist. Im Dezember 1971 gelingt es, in den ehemaligen Räumlichkeiten des Jugendheims Wilten-West, das damals noch kirchliche z6 zu etablieren. Auf insgesamt drei Stockwerken samt Keller entsteht ein Anlaufort für Jugendliche aus dem Arbeiter*innenmilieu. In dieser Tradition kann das z6 bis in die Gegenwart gesehen werden. Denn das z6 wird hauptsächlich von Jugendlichen genutzt, die von gesellschaftlicher Stigmatisierung und Diskriminierung betroffen sind, die armutsgefährdet sind und denen Anschlüsse und Teilhabe an gesellschaftlichen Strukturen erschwert sind.

Ab den 1990er Jahren entdeckt eine neue Gruppe von Jugendlichen das z6. Ihre Eltern sind als Gastarbeiter*innen nach Österreich gekommen. Die erste Generation migrantisierter Jugendliche ist im z6 angekommen. Ab den 2000-er Jahren, aber besonders ab 2015, erreicht das Jugendzentrum Jugendliche, die selbst oder deren Eltern nach Europa flüchten mussten.

 

Aus den rassistischen Erfahrungen der Jugendlichen ergeben sich für die pädagogische und politische Arbeit neue Themen. Gemeinsam mit den Jugendlichen bearbeitet das z6 die rassistischen Verhältnisse und versucht, sie aktiv zu empowern und Handlungsmöglichkeiten wie Strategien zur Teilhabe zu erarbeiten, in Form von Beratung und psychosozialer Begleitung, aber vor allem in Gestalt jugendkultureller Aktivitäten und der Schaffung eigener Erfahrungsräume. Sind die Ausdrucksformen in den 1990er- Jahren Street- und Breakdance, kommen in den frühen 2000er Jahren weitere Elemente aus dem Hip-Hop wie Rap, Jamsession oder Graffiti hinzu, mittels derer die Jugendarbeit Anschlüsse an die Jugendszenen findet. Über freizeitpädagogische Angebote und gemeinsame Erlebnisse in der Natur wie über das Projekt "Walk About", mittels niederschwelligste Kunstförderung für Jugendliche über die z6 Kulturproduktionen oder die aktive Raumaneignung für Anliegen Jugendlicher - wie dem jährlichen z6 Straßenfest oder dem Bauwagen, früher im Stadtteil Hötting-West und heute im Campagne-Areal -  erlangen Jugendliche Selbstwirksamkeit und Selbstbewusstsein. Raumaneignung, wie zum Beispiel ab 2013 im Jugendcafé Marha.Bar, kann dabei als gelebtes Empowerment verstanden werden: sich bestärken, gemeinsam Kochen, Deutschkurse organisieren, ein Tonstudio betreiben, Jamsession organisieren und vieles mehr. Das Jugendcafé Mahar.Bar steht in der Tradition von bereits früheren z6 Cafés, wie dem Café Pausenlos oder dem autonomen Café Sub, welches bis in die 2000er Jahre Bestand hatte.

Die politische Arbeit geht im z6 immer Hand in Hand mit der pädagogischen. Zusammen mit den Jugendlichen werden Demonstrationen gegen Abschiebung und Rassismus organisiert, Transparente gestaltet, wird ein Jugendparlament eingerichtet, werden Erfahrungen sichtbar gemacht und dagegengehandelt. Zentral ist dabei, dass Jugendliche sich selbst vertreten. 1995 beispielsweise kommt es bei einer Podiumsdiskussion im z6 zu einer persönlichen Auseinandersetzung zwischen Jugendlichen des z6 und den damaligen Innenminister Caspar Einem: Das Thema ist die rassistische Fremden- und Abschiebepolitik Österreichs.

 

Das Jugendzentrum wird in den 1980er Jahren um eine Familien- und Drogenberatung erweitert, in den 1990er-Jahre entwickelt sich das Streetwork z6 als eigenständige Einrichtung des Vereins. 2010 wird das Jugendzentrum in Zentrum für Jugendarbeit z6 umbenannt. 2014 wird mit der nunmehr eigenständigen Drogenarbeit z6 der dritte Bereich des z6 geschaffen.

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Mehr als ein Jugendzentrum: Jugendkultur

Jugend braucht Raum, Kultur braucht Raum. Diese Haltung zeichnet das z6 aus, das z6 ist seit Beginn an ein Ort für und von Jugendlichen und ihre kulturellen Anschlüsse und Ausdrucksweisen. Bereits in der Zollerstraße 6 Ende der 1960er-Jahre ermöglichen die Jugendarbeiter*innen, dass der Raum für Jugendliche und ihre Kulturarbeit existiert. Die Einbeziehung aller Jugendlicher, unabhängig ihrer diversen Herkünfte,  ist dabei ein zentraler Moment, der bis heute die Haltung zum Zugang für alle zum z6 prägt.

SOLAF (Society of Lords and Freaks), Rockers wie Outsider, Satanas und Riders, Cosmic-Afro Gruppen wie Disco Galaxy und Phönix, Yugoslavia Rave, Techno Express, Punks, Autonome Jugendliche wie die Grauzone und deren Infoladen, Streetdance und Dancefactory, Breakdancegruppen wie die Rockers, HipHop-Musiker*innen und Graffitikünstler*innen, Beatboxer*innen und Kampfsportler*innen, Fuß- und Basketballer*innen oder einfach nur interessierte Jugendliche, die den Ort für sich entdecken, sind z6 und damit Teil seiner Geschichte und Gegenwart.

 

Ab 1989 entsteht das z6 Straßenfestival in der Dreiheiligenstraße. Das Fest soll Jugendlichen Raum für positive Präsenz in der Öffentlichkeit bieten und Veranstaltung im Stadtteil sein. Jugendliche präsentieren sich dabei selbst, als Musiker*innen, Tänzer*innen, Partygänger*innen. Seit 2015 hat die Veranstaltung einen neuen Titel und wird unter streetparty z6 veranstaltet.

Auch außerhalb vom Stadtteil Dreiheiligen organisiert das z6 im öffentlichen Raum Veranstaltungen mit, für und von Jugendlichen. 1989 wird in Kooperation mit anderen Einrichtungen ein Stadtfest für Jugendliche am Landhausplatz veranstaltet. Das Highlight ist ein Skateboardcontest – denn zu dieser Zeit ist es verboten, dort Skateboard zu fahren.

1995 wird das „Festival for free“ ins Leben gerufen, ein Fest für die Jugend, wo mehr Raum für Jugendliche gefordert wird. Mit dem „Festival for free" macht das z6 auf dem Umstand aufmerksam, dass in Innsbruck immer weniger öffentliche Räume für Jugendliche nutzbar sind, speziell dann, wenn ihr Outfit oder ihre Hobbies vom Mainstream abweichen. Junge Menschen und ihre Ausdrucksformen stehen somit immer wieder in der Öffentlichkeit.

 

Im Februar 2016 wird mit dem Event "RAPsoc!al" ein großer Rap-Battle veranstaltet, bei dem von 16 Teilnehmer*innen aus ganz Tirol Themen und Texte geschaffen, in einem Contest vorgetragen und von einer Jury musikalisch wie auch in der textlichen Performance bewertet werden. Lokale Künstler*innen wie die Rapperin Spilif MC unterstützen die Jugendlichen bei der Textgestaltung im Vorfeld des Battles, die Vielfalt der Herkünfte und Themen der Jugendlichen bildet sich unter anderem auch in der Vielsprachigkeit der Texte ab: Deutsch, Englisch, Französisch, Arabisch, Farsi waren selbstverständlicher Teil des Events.

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Zwischen Abwertung und Anerkennung: Überwachung vor der Tür

Mit einer Schwierigkeit ist das z6 ständig konfrontiert. Die sogenannten Zaungäste oder, konkreter benannt, „bestimmte Nachbar*innen“, für die ein offenes Jugendzentrum ein Problem darstellt. Die Kultur des z6 ist von einer Anerkennungskultur geleitet, wie es im Vorwort des Jahresberichts des Jugendzentrums 2017 treffend formuliert wird. Eine Kultur, die "nicht nach Herkunft, Hautfarbe, Aufenthaltsstatus, Sprache, Religion oder Leistungen fragt, sondern nach dem Menschen". Paradoxerweise fühlen sich Menschen durch eine solche Haltung bedroht und es  entfalten sich Konflikte, eben auch mit der unmittelbaren Nachbar*innenschaft. Schon zu Zeiten der Zollerstraße sind es die Rockergruppen im z6, die die Nachbar*innen nicht in ihrer Straße haben wollen. Diese Gruppen finden im z6 eine Heimat, überall sonst ist ihnen der Eintritt verwehrt. Konflikte mit den Nachbar*innen wirden dabei stets unter „Wir haben nichts gegen sie, aber bitte nicht hier!“ gelabelt. 2018 machen Anrainer*innen, unterstützt von der FPÖ, gegen Besucher*innen des z6 Stimmung, indem sie behaupten, sich durch Jugendliche ausländischer Herkunft, deren Sprachen - die nicht jene sind, die sie gerne hören würden - in ihrem Sicherheitsgefühl beeinträchtigt zu fühlen. Jugend und ihre Kulturen werden einmal mehr zum Problem stigmatisiert. Im Zuge dessen wird, trotz Protest, in der Dreiheiligenstraße eine Überwachungskamera, gerichtet auf das z6, installiert.

 

Im Jahr 2021 erhält das z6 Jugendzentrum dann doch eine öffentliche und verdiente Anerkennung. Der "Preis der Vielfalt" der Stadt Innsbruck geht ans z6 und würdigt dessen Arbeit. In der Begründung der Jury heißt es: „Das Jugendzentrum schafft für Jugendliche, die von Ausgrenzung betroffen sind, Raum, sich auszudrücken, leistet mit seiner Arbeit einen wichtigen Beitrag gegen Radikalisierung und trägt damit zur Entwicklung eines demokratischen Bewusstseins bei. Das Z6 vertritt seit vielen Jahrzehnten und trotz oftmals heftigem Gegenwind eine klare Haltung für junge Menschen, die von Diskriminierung, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Exklusion betroffen sind und steht dafür, auf Augenhöhe Diversität sowie Mitbestimmung zu leben. Es ist ein Gegenort für demokratiefeindliche und ausschließende Realitäten. Nicht zuletzt in Zeiten, in denen Räume für junge Erwachsene in der Stadt Innsbruck immer weniger werden, ist das Z6 ein wichtiger Ort für exklusionsgefährdete Jugendliche, ja, ein Zuhause.“

Todgeweihte leben länger: Finanzen

Durch die gesamte 50-jährige Geschichte des z6, vor allem des Jugendzentrums, zieht sich die Geschichte der fehlenden finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand. Dies wird schon beim Ortswechsel des z6 Jugendzentrums, von der Zollerstraße 6  in die Andreas-Hofer-Straße 13, deutlich. Bereits 1974 sind private Förder*innen eine tragende Säule der Finanzierung. Das privat zur Verfügung gestellte Geld, gedacht für den Umbau des neuen Jugendzentrums, reicht bei weitem nicht Die Katholische Kirche unter Bischof Rusch unterstützt das z6 noch bis 1977. Subventionen von Land Tirol und der Stadt Innsbruck sind minimal, vom Bund kaum nennenswert. Um die Räumlichkeiten im Keller der Andreas-Hofer-Straße anmieten und jugendgerecht adaptieren zu können und mehr Budgetmittel zu lukrieren, lädt das Team des z6 im März 1975 zu einer Großveranstaltung im Innsbrucker Kongresshaus ein, wo die prekären Zustände des z6 öffentlich gemacht und mehr finanzielle Zuwendung gefordert wird. Zum damaligen Zeitpunkt ist dies, in der Sozial- und Jugendpolitik, eine neue Strategie. Da sich die Situation für die Jugendarbeit im Allgemeinen und dem z6 im Speziellen nicht ändert, folgt einer der größten landesweiten Protestaktionen von Jugendarbeiter*innen in Tirol. Unter der „Aktion Leben“ organisiert die ARGE Jugendzentren 1977 eine Paddelbootaktion am Inn und lenken den Fokus auf die desolaten finanziellen Zustände, federführend ist dabei das z6. Die involvierten Jugendlichen und Jugendarbeiter*innen protestieren zwischen Telfs und Kufstein mit ca. 40 Schlauch- und Paddelbooten am Inn. Mit Megafonen und Transparenten fordern die Beteiligten endlich mehr Anerkennung, die sich finanziell widerspiegeln soll.

 

Erst 1982 wird durch einen Beschluss des Stadtsenats möglich, in der Dreiheiligenstraße das ehemalige Forumkino anzumieten. Doch die Verhandlungen stocken wieder. 1983 kommt es zur sogenannten "Narzissendemonstration" in der Innsbrucker Altstadt, mit der öffentlich für das z6 Solidarität bekundet und der Druck auf die Politik erhöht werden soll. Auch die Innsbrucker Autonome- und Anarchoszene zeigt sich solidarisch, was dazu führt, dass von Seiten der Behörden befürchtet wird, die Demo würde zu Gewalt und zu Randalen führen. Stattdessen verteilen die Demonstrierenden an alle Narzissen, auch an die Polizei, daher der Name Narzissendemonstration.

 

In den 1990-er Jahren kämpft das z6 schon wieder um mehr finanzielle Ankerkennung, wie aus nachstehendem Zeitungsartikel hervorgeht. Das führt 1994 zu einer weiteren Demonstration, wo die Tiroler Sozialpolitik am Landhausplatz in Innsbruck bildlich zu Grabe getragen wird.

Noch 2020 muss mit einer Förderaktie auf die finanzielle Notsituation des Jugendzentrums aufmerksam gemacht werden.